Die Kreuzung von Miodowa und Senatorska ist eine meiner absoluten Lieblingsecken in Warschau, viel italienischer und malerischer kann Warschau eigentlich nicht wirken als an dieser Stelle:
Wir sehen auf der linken Seite die Rekonstruktion des Małachowski-Palais, gleich rechts daneben einen malerischen, wenn auch nicht historischen Platz und in Richtung der Krakauer Vorstadt eine idealisierte Rekonstruktion des ältesten Miets- und Geschäftshauses in Warschau, des Handelshauses Roesler und Hurtig von 1785 (im einstigen Ehrenhof des Palais nachträglich errichtet, ebenfalls ein Bauwerk des oben verlinkten Simon Gottlieb Zug)
Ganz rechts kommt dann schon die Annakirche ins Bild - und ganz links ein Neubau an der Senatorska, den ich gar nicht mal so schlecht finde, meines Erachtens greift der Bau mit seiner gedrungenen Form und vor allem dem Dach gekonnt den Palast unter dem Blechdach auf.
Tatsächlich ist dieser Straßenabschnitt ein gutes Beispiel dafür, wie die Kriegszerstörungen gewissermaßen "genutzt" wurden, um idealisierte und optimierte Bauzustände wiederherzustellen, die es in dieser Kombination häufig nie gab.
Man kann daher mit Recht behaupten, daß die rekonstruierten Areale schöner als jemals zuvor aussehen, zumal es speziell im 19. Jahrhundert eine gewisse Geringschätzung der historischen Architektur gab, munter umgebaut und umgenutzt wurde - ohne Berücksichtigung des Denkmalschutzes.
Tatsächlich wurde dieser Abschnitt der Miodowa erst Ende des 19. Jahrhunderts durch einen Straßendurchbruch angelegt, erst zu diesem Zeitpunkt erhielten die Gebäude erst nachträglich Südfassaden (!).
Blick zurück auf den Bauzustand vor 1939 (der Gebäudekomplex wurde bereits 1939 stark zerstört):
Wir sehen die Annenkirche in der Mitte und links die zu diesem Zeitpunkt bereits gründerzeitlich überbauten Gebäude von Zug, zwischen Małachowski-Palais und dem Mietshaus befindet sich ein Anbau.
Hier ist der Verbindungsbau besser zu sehen:
Die Fassadengestaltung weicht vom heutigen Erscheinungsbild, bei dem der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt wurde (nämlich zur Krakauer Vorstadt hin), stark ab - und die Fassade zur Miodowa wurde analog gestaltet (die es ja zur Zeit der Erbauung überhaupt nicht gab).
Gleiches gilt übrigens auch für das inzwischen wieder ziemlich renovierungsbedürftige Małachowski-Palais, das in seiner ursprünglichen spätbarocken Gestaltung rekonstruiert wurde - und somit ebenfalls mit einer Phantasie-Fassade nach Süden hin, denn dort gab es ja zum Zeitpunkt der Erbauung gar nicht.
Ein weiterer Unterschied besteht natürlich darin, daß der Verbindungsbau an der Miodowa nicht aufgebaut wurde, so daß dazwischen ein malerischer Platz enstand, der noch dazu einen besseren Blick auf das Palais ermöglicht.
Man beachte in der obigen Postkarte auch das Eckgebäude zur rekonstruierten Kozia mit der Seufzerbrücke (diese Straße wurde schon in Teil 2 - Königsweg bis zum Beginn der Altstadt gezeigt).
Etwas später wurde dieses Eckgebäude sehr unvorteilhaft aufgestockt (ein aktuelles Fotos habe ich leider nicht gefunden, das Gebäude sieht heute wieder wie vor der Aufstockung aus):
Eine weitere Aufstockung gefällig? Hier der Blick auf die Vorkriegs-Miodowa in der entgegensetzten Richtung zum Krasiński-Palast, der Palast der Bischöfe von Krakau wird fast erschlagen von seinem gigantischen Nachbargebäude (dort befindet sich heute die Brücke über den Tunnel der Ost-West-Trasse und somit überhaupt keine Bebauung mehr):
Und abschließend noch zwei Fotos, die ich schon im Strang zu Marienstadt gezeigt habe - da der Altstadttunnel ja in offener Bauweise erstellt wurde, sind zwangsläufig alle darauf befindlichen Bauten komplette Neubauten, das trifft auch für das gezeigte Eckgebäude zur Krakauer Vorstadt und die gesamte Häuserzeile bis zum John-Haus am Ende (siehe Teil 5 - rund um den Königsweg bis nach Marienstadt).
Offene Bauweise:
Und hier die angesprochene Häuserzeile im Bau - ganz rechts das John-Haus, ganz links das Haus von Roesler und Hurtig, teilweise vom (nachträglich errichteten) Turm der Annakirche verdeckt: